Liebe Patienteneltern,
am 16.05.2024 wurde sehr einseitig und negativ über die Kieferorthopädie berichtet. Wir möchten Sie zu einigen dieser Punkte informieren. Wenn Sie hierzu weitere Fragen haben, sprechen Sie Ihre Kieferorthopädin oder Ihre Kieferorthopädin gern darauf an.
1. Werden in Deutschland wirklich zu viele Kinder behandelt?
2001 wurden in der Tat mit über 60% im internationalen Vergleich sehr viele Patienten behandelt. 2002 wurden die KIG eingeführt. Die bevölkerungsrepräsentative 6. Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS VI) ist zu dem Ergebnis gelangt, dass bei 40,4 % der untersuchten Kinder eine Kassenbehandlung durchgeführt werden kann. Diese Ergebnisse wurden auch mit anderen internationalen Behandlungsindizes abgeglichen. Die Ergebnisse waren vergleichbar. Eine Überversorgung hat diese Studie nicht festgestellt.
2. Dauert die Behandlung in Deutschland wirklich so viel länger als in Österreich?
Nein! Die Behandlungsdauern werden nur anders gemessen. Die im Beitrag genannten 42 Monate umfassen nicht nur die Zeit, in der die Zähne aktiv bewegt werden, sondern auch die Zeiten, in denen das Behandlungsergebnis stabilisiert wird (Retention). In Österreich ist der Behandlungsabschluss mit dem Einsetzen des ersten Retentionsgerätes erreicht. Hieran schließt sich die Haltephase auch in Österreich an.
3. Verdient mein Kieferorthopäde mehr, wenn er länger behandelt?
Normalerweise nicht. Diagnostische Leistungen und die Eingliederung von festsitzenden Behandlungsgeräten werden einzeln vergütet, dürfen aber nur in einer bestimmten Anzahl abgerechnet werden. Behandlungsführung, Kontrolle, Motivation usw. wird mit Pauschalen vergütet, die einen Behandlungszeitraum bis zu 16 Quartalen abdeckt. Diese Pauschale wird in 12 Abschlägen ausgezahlt. Wird die Behandlung früher beendet, können jedenfalls nach dem 10. Quartal (einschl. Retention) alle 12 Abschläge berechnet werden. Dauert die Behandlung einschließlich der Haltephase 20 Quartale, können auch nur 12 Abschläge abgerechnet werden. Dauert die Behandlung doch einmal länger, geht das nur mit einer Genehmigung der Krankenkasse.
4. Muss ich zuzahlen um vernünftig behandelt zu werden?
Nein. Als gesetzlich Versicherter kann Ihr Kind auch ohne Zuzahlungen behandelt werden. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ist zwar gesetzlich auf das Maß des Ausreichenden, Zweckmäßigen und Notwendigen beschränkt, ermöglicht aber eine standardgerechte Behandlung die gute Behandlungsergebnisse erlaubt. Mehrleistungen können die Behandlung angenehmer oder optisch unauffälliger machen oder weniger Mitwirkung erfordern.
5. Verkauft mein Kieferorthopäde mir Mehrleistungsbrackets zu einem erhöhten Preis?
Wenn Sie sich für Mehrleistungen entscheiden, kaufen Sie kein Bracket, sondern erhalten eine zahnärztliche Leistung außerhalb der GKV. Diese privatzahnärztliche Leistung wird nach der Gebührenordnung für Zahnärzte abgerechnet. In der Gebühr für die Bracketeingliederung sind die Materialkosten enthalten. Die Höhe dieser Gebühr errechnet sich aus einer Punktzahl und einem seit 1988 unveränderten Punktwert und einem sog. Steigerungsfaktor. Je nach Schwierigkeit und Aufwand dieser Leistung kann dieser Steigerungsfaktor durch den Zahnarzt bis zum 3,5fachen festgesetzt, darüber hinaus mit dem Patienten vereinbart werden. Von dem Honorar dieser privatzahnärztlichen Leistung wird sodann das von der Krankenkasse bezahlte Honorar abgezogen. Ein Steigerungsfaktor von 4,6 bedeutet also nicht, dass das Bracket zum 4,6fachen Einkaufspreis verkauft wird, sondern dass die Eingliederung des Brackets einschließlich des Materials 4,6 mal den Mindestpreis aus dem Jahr 1988 kostet.
6. Was kann ich machen, wenn ich mich nicht richtig informiert fühle?
Ihr Kieferorthopäde ist verpflichtet, Sie neutral über die Regelversorgung und die zur Verfügung stehenden Mehrleistungen aufzuklären. Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach! Verstößt ein Kieferorthopäde gegen diese Pflicht, drohen disziplinarische Konsequenzen durch die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung.